Revival macht Lust auf die Spiele

Der Auftritt der Segellegenden von 1972 beim Revival 50 Jahre Olympische Spiele 1972 hat in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt sowohl Erinnerungen als auch Begehrlichkeiten geweckt. Großer Segelsport und Kiel passten und passen eben immer noch bestens zusammen. Zwei Monate nach der Kieler Woche, die seit 140 Jahren ausgetragen wird, folgte die zweite Segelgroßveranstaltung des Jahres, die mit der heutigen Siegerehrung endete. Mit Sonne und Wind verabschiedete die Generationen übergreifende Veranstaltung ihre Aktiven und Gäste.

Von der Gemeinsamen Internationalen Deutschen Jugendmeisterschaft (GIDJM) bis zum Revival 50 Jahre Olympische Spiele in Kiel reichte der Spannungsbogen und verband mit Aktiven im Alter zwischen zehn und 82 Jahren die Zukunft mit der Historie. Organisationsleiter Dirk Ramhorst zog für den Segelsport ein durchweg positives Fazit: „Nach einem herrlichen Auftakt mit den Nachwuchsseglerinnen und -seglern ließ das Wetter ja etwas nach, aber das Wochenende versöhnte auch alle Teilnehmenden des Revivals wieder.“ 27 der geplanten 28 Wettfahrten im zweiten Teil wurden gesegelt. Der Nachwuchs hatte zuvor in neun Klassen 176 Starts absolviert. Mehr geht nicht.

„Wir haben als Veranstalter gezeigt, dass wir in der Wettfahrtleitung hohe Qualität bieten und das Revier passt. Das dürfte sich auch durch diese Veranstaltung weiter herumsprechen“, so Ramhorst, der davon ausgeht, dass die Klassen, die beim Revival an den Start gegangen sind, Kiel in guter Erinnerung behalten und vielleicht auch zu hochkarätigen Veranstaltungen wie EM oder WM zurückkehren. Vor allem die Stare haben nach der WM 2021 in Kiel und der jetzigen North European Championship Gefallen an Schleswig-Holsteins Landeshauptstadt gefunden. „Auch die Drachen würde ich auf unseren Bahnen gern wiedersehen“, so Ramhorst. Die FD sind abgesehen von dem Aussetzer im Corona-Jahr ohnehin fester Bestandteil der Kieler Woche. Die Tempest ist eine Klasse in einer kleinen Nische.

Wenn auch der sportliche Ablauf auf dem Wasser gestimmt hat, so wurde an Land die große Werbung für eventuelle, spätere Olympische Spiele in Schilksee verpasst. Dabei hatte das Land die Regatten mit 180.000 Euro unterstützt und sich deutlich zu Kiel bekannt. Mit dem Zukunftsplan Sportland Schleswig-Holstein ist im vergangenen Jahr eine landesweite Sportentwicklungsplanung aufgesetzt worden, künftig sollen 13 Sportarten in eine förderwürdige Kategorie aufgenommen werden. Segeln nehme natürlich einen besonderen Status ein, hatte Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack bei der Eröffnung der Revival-Veranstaltung noch einmal betont. „Die Zusammenarbeit mit der Landesregierung ist vorbildlich, und die Vernetzung ist gut. Es gibt gemeinsame Ziele und Ideen“, so Ramhorst.

Die Landeshauptstadt Kiel hatte im Vorwege aus finanziellen Gründen vor allem die Ausrichtung der Regatten unterstützt, so dass in Schilksee das olympische Flair nur in sportlicher Hinsicht aufloderte. Eine Flaniermeile war  kurz und im Grunde nicht vorhanden, große olympische Stimmung kam in diesem Bereich für Gäste und Besucher nicht auf. Der Autokorso der Oldtimer, die Übertragung der Oper Carmen u.a. nach Kiel-Schilksee und die Olympia-Ausstellung des Deutschen Segler-Verbandes haben gezeigt, was möglich ist. Der Blick nach München mit Kletter-Wettkämpfen in der Innenstadt, insgesamt neun Europameisterschaften, darunter sportlichen Highlights wie Leichtathletik und Beachvolleyball, zeigten das große Engagement der bayerischen Metropole. In Augsburg wurde im Juli der Eiskanal mit zehn WM-Entscheidungen der Wildwasser-Kanuten in Szene gesetzt. Eine Zusammenarbeit hätte sich vermutlich gelohnt und den Stellenwert Kiels als starker Partner für gemeinsame Sportgroßveranstaltungen untermauert.

Dennoch macht der Blick nach vorn Mut. Während der Revival-Veranstaltung hatten sowohl Kiels Oberbürgermeister Ulf Kämpfer als auch Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack Gefallen an dem Gedankenspiel von IOC-Präsident Thomas Bach gefunden, auch 2036 Olympische Spiele in Deutschland auszurichten. „Wir sollten der Welt auch damit zeigen, dass Deutschland sich geändert hat“, schlägt Dirk Ramhorst in dieselbe Kerbe. Und bei einer deutschen Bewerbung sei Kiel die erste Wahl, erklärt er. So war es auch beim bisher letzten deutschen Ansatz, der Bewerbung von Nordrhein-Westfalen. Der Bundessstützpunkt Segeln in Kiel spricht ebenfalls dafür. Hier ist das German Sailing Team zuhause und trainiert auf der Kieler Förde und im Trainingszentrum.

Zudem hat Kiel gezeigt, dass die Bevölkerung hinter einer Bewerbung steht. Für die Spiele 2024 gab es 2015 ein deutliches Votum für eine Ausrichtung. Nicht so in Hamburg. Die Vorbereitung für 2036 verkraftet keinen Aufschub. Die Werbung auch für den Segelsport in Kiel muss zeitig beginnen. Nach zwei gescheiterten deutschen Bewerbungen mit Leipzig und Hamburg und dem Versuch in Nordrhein-Westfalen muss beim nächsten Anlauf alles stimmen. Kiel hat das Konzept in der Schublade.

 

So auch der Kieler Yacht-Club, der unter Dirk Ramhorst als Organisationsleiter der Regatten noch an Verbesserungen feilt. „Wir werden kurz- bis mittelfristig in einem Strategiemeeting entscheiden, wo wir in Zukunft hinwollen, welche Bootsklassen wir in der Kieler Woche starten lassen können, ob wir weiter auf Wachstum mit mehr Quantität setzen oder uns auf die olympischen Disziplinen konzentrieren. Bei dem Meeting ist nichts von vornherein ausgeschlossen, und wir werden ergebnisoffen an die Themen herangehen“, sagt Ramhorst, der dabei ein erfahrenes und engagiertes Team um sich weiß.

Eine strategische Entscheidung wurde schon vor ein paar Jahren gefällt. Der Kieler Yacht-Club plant neben MaiOR für die Dickschiffe, Young Europeans Sailing für den Nachwuchs und dem blueribboncup, der Langstrecke als seglerische Verbindung der Partnerstädte Kiel und Aarhus zwei weitere Großveranstaltungen jährlich – dabei ist die Kieler Woche natürlich gesetzt. Die zweite Großveranstaltung wird zwei Jahre im Voraus aus einem wechselnden Angebot von Klassenvereinigungen und Verbänden ausgewählt oder von der KYC-Agentur Point of Sailing akquiriert.

Die Durchführung des umfassenden Segelprogramms verlangt auch dem Ehrenamt viel ab. „Ohne unsere vielen ehrenamtlichen Helfer ginge es nicht. Rund 400 sind zur Kieler Woche im Einsatz, bis zu 300 bei der GIDJM und rund 200 beim Revival“, so Ramhorst. Die Belastungsgrenze ist in Reichweite. „Wir haben im kommenden Jahr die ORC-WM, die 2014 ein Riesenerfolg in Kiel war. Und wir freuen uns darauf. Zum Glück sind dann auch andere Teams auf dem Wasser gefordert als beim Revival, so dass sich die Belastung verteilt“, blickt Ramhorst nach vorn und setzt auf sein Team, auch beim Erreichen des großen olympischen Ziels. Die Zeit läuft.

 

Text: Hermann Hell

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